„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…“ (Hermann Hesse)
Dieser Zauber breitete sich in mir aus, als ich mich im Winter des Jahreswechsels 2017 dazu entschloss, eine Reise mit dem Motorrad zu machen, die alles Bisherige in meinem Leben in den Schatten stellen sollte. In den Schatten, sowohl was die Dauer, als auch was die Entfernung angeht. Das Ziel war schnell ausgemacht: Der Iran sollte es sein!
Da nun die Politiker dieser Welt - für mich völlig unerklärlich - wenig Rücksicht auf meine Reispläne nehmen, war der Iran aufgrund immerfort schwelender Konflikte genauso schnell verworfen, wie er in den Fokus gerückt war.
Das sollte jedoch nun kein Scheitern des Grundgedankens zur Folge haben und so klebte mein Finger weiterhin im Osten auf der Karte und wanderte durch die UKRAINE an das „Schwarzes Meer“ bis nach MOSKAU.
Die Beantragung des Visums für die RUSSISCHE FÖRDERATION war dann alles, was die Vorbereitungsphase so zu bieten hatte, frei nach dem Motto „Weniger ist manchmal mehr!“ denn das Touren mit Zelt birgt genau diese abenteuerliche Spontanität in sich.
Trotzdem! Technisch wollte ich kein Risiko eingehen und so wurde zwei Wochen vor Abfahrt der GS ein komplett auf die Bedürfnisse der Tour ausgelegtes Fahrwerk bei WILBERS in Nordhorn angepasst und die Alu-Standard Koffer von Hepco&Becker wurden von 35 auf 40 aufgerüstet, denn eines war mir klar, für eine 2 monatige Tour brauche ich vor allem zwei Dinge: Glück und Platz! Hätte man mir später an der Grenze zur Ukraine bei der Einreise allerdings die „Platz-Frage“ erneut gestellt, hätte ich mir gewünscht, dass mit einem lauten Knall unter Schall und Rauch mein komplettes Koffersortiment sich in Luft auflösen würde und nur ein kleiner Daypack sich leicht dampfend auf dem Alu-Rack Topcaseträger befinden würde, denn ich musste den kompletten (!) Inhalt der Koffer auspacken.
…aber ich will von vorne beginnen!
So verging die Zeit wie im Fluge und als ich am 16.07.2018 vor meinem Haus im Ulmerthal (Allgäu) den Starter-Knopf der GS drücke, hatte ich ganz kurz bedenken, ob so ein Abenteuer durch viele fremde Länder nicht doch eine Nummer zu groß für mich wären!
Egal! Die Sonne tat das, was sie am besten kann - scheinen - und so ging es über WIEN durch UNGARN und Draculas Heimat in SIEBENBÜRGEN/RUMÄNIEN an die Grenze zur UKRAINE, wo ich nicht nur mit einer fremden Sprache und ihren kyrillischen Schriftzeichen konfrontiert wurde, sondern auch die Straßen fingen an, ein gewisses osteuropäisches Klischee zu bedienen und Schlaglöcher, so tief, dass ein halbes Motorrad darin hätte auf nimmer Wiedersehen verschwinden könnte, waren hinterhältiger Weise mit Wasser gefüllt, was mich zu einem unkoordinierten Schlingerkurs bei manchmal bessere Schrittgeschwindigkeit zwang.
Da aber nicht nur ich, sondern auch LKW und PKW damit zu kämpfen hatten, war es keine Besonderheit, wenn fast einem Tanz ähnlich, schaukelnd Fahrzeuge auf der eigenen Fahrbahn entgegen kamen und ich wie selbstverständlich den Freiraum auf der Gegenfahrbahn nutzte. Das muss man sich mal vorstellen! Überall Jahrhundertsommer, der mit Superlativen überhäuft wird, aber die Schlaglöcher der Ukraine führen Wasser!
Was mein neues Fahrwerk und vor allem die deutlich über die Beladungsempfehlung gepackten Koffer mit dem Lock-it-Seitenträger leisten musste, konnte ich jetzt nur erahnen, weil ich jeden Abend immer wieder neue Schrauben fand, die nachgezogen werden mussten.
Mein Weg führte mich vom SCHWARZEN MEER quer durch die UKRAINE nach KIEV und TSCHERNOBYL. Meine Reisepläne über das KASPISCHE MEER nach RUSSLAND einzureisen sollten dann ihr jähes Ende finden, denn nicht nur die Webseite des Auswärtigen Amtes sondern - und DAS gab den Ausschlag - auch Einheimische warnten mich, das Krisengebiet von DONEZK und LUHANSK zu queren.
Ja…die Einheimischen! Sie werden in meinen Reiseerinnerungen einen Ehrenplatz einnehmen, denn nirgends wurde ich in allen Belangen gastfreundlicher empfangen, wie in der UKRAINE und RUSSLAND. Ein paar gemeinsame Zigarettenlängen später verabschiedete er sich mit einer Umarmung, nur um nach einer Stunde wiederzukommen und mir eine selbstgemachte Fischkonserve als Abendbrot zu bringen, wenn ich schon nicht bei ihm übernachten wolle.
Der deutliche Geschmack nach Fisch und Gräten bewahrheitete seine Angabe, was er mit da gerade für ein kulinarisches Highlight überlassen würde.
Aber es war superlecker!
Selbst die überall so gefürchteten Zöllner und Polizisten an der Grenze nehme ich hier nicht aus, was Freundlichkeit angeht, denn noch heute spüre ich den kalten Schweißausbruch, als mir eine VÖLLIG in kyrillisch verfasste, 2 seitige Zollerklärung für das Motorrad unter die Nase gehalten wurde, die ich nur mit Hilfe der Grenzbeamten ausgefüllt bekam und mir bis heute nicht sicher bin, ob ich nicht der RUSSISCHEN FÖRDERATION aus Unkenntnis der Sprache in Wort und Bild, mein Motorrad vermacht habe.
So erreichte ich dann am 11.07.2018 um 13:37 komplett mit allen Schrauben am Motorrad durch POLEN, LITAUEN, LETTLAND und ESTLAND über die wunderschöne Stadt ST. PETERSBURG, die mein Einfahrtstor zu Russland war, das Panzersperren-Denkmal an der Stadtgrenze von Moskau, ein russisches Nationaldenkmal, an dem im 2. Weltkrieg der Angriff der Deutschen Wehrmacht Gott sei Dank vor den Toren der Stadt zum Erliegen kam… und mein Ziel: Den roten Platz!
Staub, Regen und immerwährende Schlaglochpisten auf Sandwegen wurden für die nächsten Wochen mein stetiger Begleiter und noch heute mit dem Abstand von einigen Wochen ist es für mich ein Wunder, dass alles durchgehalten hat und ich mit den Koffern wieder Deutschland erreichte, mit denen ich aufgebrochen war, wenn man an die Schwerstarbeit, die das Fahrwerk und Anbauteile leisten musste, denkt!
So wurde ein schwitzender Simmering am Hauptantrieb und ein Riss im Reifen alles, was ich an Schäden zu beklagen hatte… und… Dankeschön an das Universum… erst auf der Rückreise kurz vor Deutschland.
So sitze ich hier und durchlebe während ich das niederschreibe noch einmal meine Reise und meine Gedanken schweifen ganz still und heimlich immer weiter ostwärts in die MONGOLEI die 2019 mein nächstes Ziel sein wird.
Denn…
…“Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“
Hofburg Wien, Österreich
Schloss Bran, Rumänien
Kholms’ke / Холмськe (Ukraine)
Kiev, Ukraine
Tschernobyl, Ukraine
Raudeniskai, Litauen
Klaipeda, Litauen
Riga, Lettland
St. Petersburg, Russland
Moskau, Russland
Stoczek, Polen
Danzig, Polen
Wolin, Polen
Peenemünde, Deutschland
Kiel / Nord-Ostsee Kanal, Deutschland
Remagen, Deutschland
Pirmasens, Deutschland
Ulmerthal, Allgäu
Hofburg Wien, Österreich
Schloss Bran, Rumänien
Kholms’ke / Холмськe (Ukraine)
Kiev, Ukraine
Tschernobyl, Ukraine
Raudeniskai, Litauen
Klaipeda, Litauen
Riga, Lettland
St. Petersburg, Russland
Moskau, Russland
Stoczek, Polen
Danzig, Polen
Wolin, Polen
Peenemünde, Deutschland
Kiel / Nord-Ostsee Kanal, Deutschland
Remagen, Deutschland
Pirmasens, Deutschland
Ulmerthal, Allgäu
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